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Brügge sehen und sterben?

(In Bruges) UK/B 2008. R,B: Martin McDonagh. K: Eigil Bryld. S: Jon Gregory. M: Carter Burwell. P: Blueprint Pictures, Film Four u.a. D: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Clémence Poésy, Ralph Fiennes u.a. 107 Min.

Urlaub haben sie sich verdient, so viel ist klar. Zwar ist der letzte Auftrag in London nicht ganz nach Plan verlaufen, doch gerade deswegen können Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) ein wenig Ruhe ganz gut gebrauchen. Aber ausgerechnet in Brügge? Dort sitzen die beiden Auftragskiller zwischen malerischen Kanälen und mittelalterlichen Kirchen und warten tagelang auf einen Anruf ihres Bosses Harry (Ralph Fiennes)

Von winterlicher Langeweile kann allerdings keine Rede sein. Die beiden legen sich mit amerikanischen Touristen und eifersüchtigen Drogendealern an, feiern mit einem zwergwüchsigen Schauspieler und holländischen Nutten, während Ray sich obendrein in die hinreißende Chloë (Clémence Poésy) verguckt. Schließlich ruft Harry dann doch noch an, und die eigentümlichen Ferien drohen eine tödliche Wendung zu nehmen ...

Mit Reiseführer statt Pistolen schickt Martin McDonagh seine beiden Profikiller in die europäische Provinz. Ausgerechnet im idyllischen Belgien ist ihm mit seinem Spielfilmdebüt eine typisch britische Gangsterkomödie voll Action und schwarzem Humor gelungen. Colin Farrell als unerfahrenen Neu-Hitman, Brendan Gleeson als seinen abgeklärten Partner und Ralph Fiennes in der Rolle ihres skrupellosen Bosses verschlägt es ins malerische Städtchen Brügge, dessen gotische Altstadt mit all ihren pittoresken Sehenswürdigkeiten so gar nichts zu tun hat mit der Londoner Unterwelt.

»Was macht eigentlich ein Boxer, wenn er alt wird?«, fragte sich seinerzeit schon Loriot – Kurzfilm-Oscarpreisträger Martin McDonagh bietet mit Ray und Ken zwei Alternativen für den verordneten Ruhestand an, die aus ihrer Gegensätzlichkeit enorme Komik beziehen. Den hitzköpfigen Jungspund, ebenso ideal besetzt mit Kinorüpel Colin Farrell wie Brendan Gleeson als grobschlächtiger Gentleman auf Touritrip, plagt zudem das Gewissen, unschuldige Menschen umgebracht zu haben und dafür nun in der Vorhölle Brügge gelandet zu sein. So sehr auch über das verschlafene Städtchen hergezogen wird, kann die örtliche Tourismusbehörde eigentlich nur froh über diesen Film sein, der voller hintersinnigem Witz, skurril-liebenswerter Charaktere und überraschender Wendungen steckt, die das Langfilmdebüt von McDonagh zu einem einzigen Vergnügen machen. Brügge sehen… und sterben? verzichtet gottseidank auf die im britischen Gangsterfilm grassierende allzu bemühte Coolness – hier sind alle mit Herzblut bei der Sache, nicht zuletzt auch Ralph Fiennes als Unterwelttycoon Harry, der einzig in Schindlers Liste derart humor- und kompromißlos zu sehen war. 1000 Places to see before you die – Brügge ist einer davon.

Carsten Happe in schnitt.de 

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