Film-Datenbank

Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

Balzac et la petite tailleuse chinoise

Land: Frankreich | Jahr: 2002 | ca. 1:46:11 Minuten | FSK: ab 12 Jahre

von Dai Sijie, mit Liu Ye, Chen Kun, Zhou Xun - Verleih: Schwarz-Weiss - FSK: ohne Altersbeschränkung

Lobgesang auf die Macht der Literatur

Zwei Oberschüler werden während der chinesischen Kulturrevolution aufs Land verbannt und verlieben sich in das gleiche Mädchen, dem sie aus französischen Romanen vorlesen.

Das ist die Grundstory des Bestsellerromans "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" des chinesischen Autors Dai Sijie, der die Vorlage nun auch selbst verfilmt hat. In einer eleganten Synthese aus poetischer Romanze und satirischem Schelmenstück, zu der die revolutionären Umwälzungen den dramatischen Hintergrund liefern, feiert er die Wirkungsmacht der Literatur und die unerschöpfliche Kraft der Liebe.

Durch Lektüre von Balzacs Romanen in neuer Welt

China 1971. Während Maos so genannter Kulturrevolution werden der 17-jährige Ma (Liu Ye) und der 18-jährige Luo (Chen Kun) nach Abschluss der Oberschule wie viele andere Städter zur Umerziehung durch die revolutionären Bauern aufs Land geschickt. Nach einiger Zeit harter Arbeit auf den Feldern und im Bergwerk beauftragt sie der Dorfvorsteher (Wang Shuangbao), sich in der Kreisstadt einen nordkoreanischen Film anzusehen und dessen Geschichte danach den Dorfbewohnern nachzuerzählen.

Die erzählte Filmvorführung wird ein voller Erfolg. Auch im Nachbardorf hört man davon. Dort verlieben sich die beiden Jungs in die Enkelin (Zhou Xun) des angesehenen Schneiders (Chung Zhijun), die immer neue Geschichten von ihnen hören will. Sie gibt ihnen auch den Hinweis auf einen Koffer voller ausländischer Bücher, den sie schließlich gemeinsam einem ebenfalls Verbannten entwenden können. Durch die "Lektüre" von Balzacs Romanen entdeckt die kleine Schneiderin eine neue Welt und ihr Selbstwertgefühl als Frau.

Geschichte trägt autobiografische Züge

Mehr als 600 000 Exemplare des Romans von Dai Sijie sind bereits in Frankreich verkauft worden, 300 000 in Deutschland. Der 1954 in China geborene Autor hat bereits drei Filme realisiert. Sein neuer Film trägt wie der in 31 Sprachen übersetzte Roman unübersehbar autobiografische Züge.

Sijie, der vor kurzem den renommierten französischen Literaturpreis Femina für das Buch "Le complexe de Di" erhalten hat, wurde als Sohn eines Ärztepaars 1971 selbst im Zuge eines Umerziehungsprogramms in ein Bergdorf in der Provinz Sichuan verschickt, wo er bis 1974 bleiben musste. Erst nach Maos Tod 1976 konnte er Kunstgeschichte studieren und ging 1984 mit einem Stipendium nach Paris, wo er seitdem lebt.

Gediegene Inszenierung von klassischer Schönheit

"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" besticht durch eine gediegene Inszenierung von klassischer Schönheit, die von einem erstklassigen Ensemble bekannter chinesischer Jungdarsteller, einer makellosen Kameraarbeit, imposanten Landschaftsaufnahmen und einem sensiblen Soundtrack getragen wird. Gerade angesichts der ruhigen Erzählweise wirkt der Sprung in die Gegenwart kurz vor Schluss wie ein Bruch, schickt Sijie den Musiker Ma doch aus Paris zurück in das Bergidyll, das von den Fluten des Dreischluchten-Staudamms überflutet werden soll.

Dies bringt einen nostalgisch-sentimentalen Ton in den ansonsten stilsicher in Szene gesetzten Film. Das sensible Filmpoem mit Anklängen an Truffauts Liebestrio-Klassiker "Jules und Jim" dürfte nicht nur viele Literaturfreunde, sondern auch die Liebhaber der chinesischen und französischen Kultur bezaubern.

Reinhard Kleber, ddp
 

Jetzt Mitglied werden!

KINOWERKSTATT

Die Kinowerkstatt St. Ingbert ist eine nichtkommerzielle Spielstelle, die sehenswerte aktuelle sowie kulturell und filmgeschichtlich wichtige Filme zeigt.

KONTAKT

Pfarrgasse 49
D-66386 St. Ingbert

Tel: 06894 36821 (Büro)
Mobil: 0176 54461046
Fax: 06894 36880