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Oi! Warning

Deutschland 1999 - von Dominik und Ben Reding - mit Sascha Backhaus, Simon Goerts, Sandra Borgmann, Dominik Breuer - Verleih: Nighthawks Pictures - ab 12 Jahren - 90 Min.

Freitag 20. Oktober 2000, 11:47 Uhr
'Oi-Warning' füllt deutsche Kinos

 
Gestern lief der deutsche Independent-Streifen "Oi-Warning" offiziell an. Im Dortmunder Cinestar bescherte der doch sehr eigenwillige
S/W-Spielfilm ein volles Haus. Punks, Skins, aber auch Mainstream-Publikum waren von dem Werk überzeugt. Und selbst anwesende Lehrer nannten die Punk/Skinhead-Story als pädagogisch wertvoll, obgleich von den Produzentenbrüdern Reding niemals der drohende Zeigefinger erhoben wird.
 
Bei der Hamburger Premierenfeier muss es aber nicht ganz so friedfertig abgelaufen sein. Randalierende Rechtsextremisten mussten mit polizeilicher Hilfe gestoppt werden. Die Selbstfindungsreise des jungen Rollerfahrer Janosch läuft ab sofort in über 35 ausgesuchten Deutschen Kinos an.

(DocRock)
  
 
Der Film und sein Inhalt

Ein kleiner deutscher Film, so radikal, wie provokant kommt mit zwei Jahren Verspätung in die Kinos: "Oi! Warning". Eine Geschichte aus dem Skinheadmilieu erzählen die Hamburger Filmemacher Benjamin und Dominik Reding in ihrem Spielfilmdebut und haben damit für Aufsehen gesorgt. 
 
Obwohl "Oi! Warning" mit dem renommierten Regiepreis der American Directors Guild ausgezeichnet wurde, fand der Erstling der Redings lange keinen deutschen Verleih. Als zu brisant wurde das Skinheadthema vielfach empfunden und stieß immer wieder auf Wiederstände, denn "Oi! Warning" ist der mutige Versuch eine fremde gefährliche Welt aus ihrem Selbstverständnis heraus zu zeigen. 
 

Der Inhalt:
 
Der 17jährige Janosch (Sascha Backhaus) bricht aus seinem elterlichen Umfeld aus. Am Bodensee ist ihm die Welt zu eng. Schule und Eltern nerven. Da verspricht das ferne Dortmund mehr, denn hier lebt Koma (Simon Goerts).
 
Groß, stark und wild ist dieser Jugendfreund von Janosch. Und er verkörpert alle Sehnsüchte des schmächtigen, unsicheren Jungen. Koma ist ein Skinhead geworden.
Der Job als Bierfahrer, die schwangere Freundin (Sandra Borgmann) hindern Koma nicht daran genau so ein Leben zu führen, wie Janosch es sich erträumt.
 
Koma scheint keine Kompromisse zu kennen. Er ist Skin und wenn er loszieht, um mit seinen kahlgeschorenen und tätowierten Freunden bis zum abwinken zu feiern, gibt es nichts und niemand der ihn davon abbringen könnte. Schon gar keine Spießer. Wer sich dem immer kampfbereiten Kahlkopf in den Weg stellt, muss um sein Leben fürchten. Sieht so die Freiheit aus?
 

Die Charaktere:
 
Janosch ist grad 17 Jahre geworden und wegen dauerndem Fehlen von seiner Schule geflogen. Janosch fährt halt lieber mit seinem Lambretta-Roller zu Scootertreffen und Parties. 
 
Koma ist Skinhead. Nicht Nazi, nicht Red-Skin, sondern "100% purer Skinhead, unpolitisch", wie er das selbst sagt. Er ist 20, groþ, kräftig, tätowiert. Kickboxen kann er und eine hübsche, blonde Freundin hat er (Sandra), und einen Job in einer Brauerei. 
 
Sandra ist hübsch, gerade achtzehn geworden und Komas Freundin. Mit ihm zusammen lebt sie in ihrer Bude (die Miete zahlen ihre Eltern ) am Stadtrand von Dortmund. Noch geht sie zur Schule aber das wird sich ändern: Sandra ist schwanger. 
  
Zottel wohnt in einem Bauwagen. Mit dem zieht er ¸ber die Lande, denn er kann Feuerschlucken und mit Messern jonglieren. Das kann er ganz gut, aber verbrannt und geschnitten hat er sich auch schonmal. Narben hat er eh jede Menge, Tätowierungen sind auch Narben, oder Zottel zählt 19 Lenze, Kraft hat er für zwei und seine Stimme ist schon ganz rauh vom rauchen, kiffen und (manchmal zuviel) saufen. Zottel liebt den Dreck und das Leben und will ALLES kennenlernen, was vielleicht Spass macht und bestimmt verboten ist. 
 
Im Unterricht sitzt Blanca neben Janosch. Janosch muþte wieder in die Schule (diesmal in Dortmund ), weil Mama  sonst kein Geld mehr schickt. Blanca ist sehr hübsch. Und klug ist sie. Trotzdem ist sie schon zweimal hängen geblieben. Vielleicht interessiert sie sich einfach für Sachen, die in der Schule nicht vorkommen. Sie will noch etwas entdecken in dieser Welt. Erstmal als Au-Pair arbeiten in Amerika. Bloss weg von ihren Eltern. 40 Stundenwoche und dann: fernsehen. So will sie nicht werden. Bestimmt nicht. Janosch gefällt ihr. In der Klasse fällt er auf: legt sich mit den Lehrern an und sagt, daþ er Schule scheiße findet. Blanca verliebt sich in ihn. Und wenn sich Blanca verliebt, dann ganz und gar. 
 

Die Regisseure und ihr Werk
 
Grobkörnig und schwarz-weiss, eigenartig surreal zeigen die Hamburger Filmer eine Gegenwelt, von der man oft in den Medien hört, von der man aber wenig weiþ und die in ihrer verführerischen Kraft so noch nie gezeigt wurde. 
 
Die Filmbrüder Reding, Absolventen der Hamburger Kunsthochschule, Fachbereich Film, haben sich nicht gescheut, die dumpfe Welt der Skins zu stilisieren und für die Leinwand größer zu zeigen, als sie ist. 
 
Ein interessanter Ansatz. Denn man versteht dadurch, warum diese Gegenkultur in den letzten Jahren einen so starken Zulauf erlebt. Die strengen Rituale dieser kahlgeschorenen Männergesellschaft versprechen verunsicherten Jugendlichen, wie Janosch Halt. 

 
Erstaunlicherweise haben die Zwillingsbrüder Reding dabei alle aktuellen Bezüge ausgeklammert. Statt im Osten, wo die Skinheadszene weit verbreitet ist, spielt ihr Film im tiefen Westen, in Dortmund. Und die Skins, die hier gezeigt werden sind unpolitisch. Das, obwohl gerade in Deutschland, die Skinzene seit langem rechtsradikal unterwandert ist. Hierfür erntete "Oi! Warning" auch heftige Kritik. Nur unter Schwierigkeiten konnten die Filmemacher ihr Projekt realisieren, das zum gröþten Teil mit Laiendarstellern aus der Szene besetzt ist.
 
Doch die Redings wollten bewusst Feindbilder vermeiden und statt dessen das eigentliche Wesen dieser gewalttätigen Jugendkultur aufzeigen. Sehr deutlich macht ihr Film, daß diese hermetische Szene, wie geschaffen ist für politische Verführung. Janosch schließt sich seinem radikalen Gefährten Koma an und wird zum Skinhead. Das Tatoo, die Glatze, Skamusik hören und Biertrinken bis zur Besinnungslosigkeit sind die Rituale dieser verschworenen Gemeinschaft. Eng halten die Skins zusammen, denn in ihrem Selbstverständnis sind sie umgeben von Feinden. Ein geduldigen Lehrer hat Janosch in Koma, wenn es darum geht, kämpfen zu lernen. 
 
Besser selbst zutreten, als getreten werden, heißt die Devise. Besonders andere Jugendgruppen, wie die Punks, sind den Skins verhasst. Und Janosch erlebt wie schnell aus Spaß bitterer Ernst wird, als Koma einen Punk halb tot schlägt. Am Ende muss Janosch erfahren, dass die Welt der Skins nicht mehr ist als ein bierseeliges kleinbürgerliches Gefängnis. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. 
 
Ein erstaunlicher Film ist den dreißigjährigen Redings mit ihrem Erstling gelungen. Mit bescheidensten Mitteln, wechselseitig als Autoren, Regisseure und eigene Produzenten, haben sie sich f¸r ihr mutiges Projekt gegen alle Widerstände eingesetzt. Als ehemalige Hausbesetzer waren sie selbst lange Jahre Teil einer rebellierenden Jugendkultur. Und so ist "Oi!Warning" durchdrungen vom wilden Feuer jugendlichen Aufbegehrens, von Authentizität und viel eigenen Erfahrungen. 
 

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