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Vicky Cristina Barcelona

USA / Spanien 2008 - Regie: Woody Allen - Darsteller: Javier Bardem, Patricia Clarkson, Penélope Cruz, Kevin Dunn, Rebecca Hall, Scarlett Johansson, Chris Messina, Lloll Bertran - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 6 - Länge: 96 min. - Start: 4.12.2008

„Als ich das Drehbuch zu schreiben begann, wollte ich einzig und allein eine Geschichte entwickeln, in der Barcelona als eigenständige Figur fungiert. Ich wollte dieser Stadt Reverenz erweisen, denn ich liebe sie sehr, wie ich überhaupt Spanien liebe. Barcelona ist erfüllt von visueller Schönheit und besitzt einen überaus romantischen Charakter.” - Woody Allen

Nach seinen drei Filmen im verregneten, nebelbehangenen England (Match Point, Scoop, Cassandras Traum) hat sich Woody Allen nun auf einen filmischen Abstecher in die spanische Metropole Barcelona begeben, in der die katalanische Kultur pulsiert. Im Lande des Frauenverstehers Pedro Almodóvar wandelt Allen dann auch auf den Spuren seines Regiekollegen und stellt das Gefühlsleben dreier Frauen in den Mittelpunkt seines Films. Doch für Melodramatik ist hier trotzdem kein Platz. Neid und Missgunst drängen nie in den Vordergrund, die fröhliche Grundstimmung eines Sommerurlaubes herrscht trotz amouröser Verflechtungen stets vor.

Obwohl der Zuschauer frühzeitig durchschaut, auf welche komplizierten Beziehungsverwicklungen der Film hinausläuft, bleibt die Dreiecksgeschichte dank pointierter Dialoge stets frisch und unverbraucht. Etwas befremdlich erscheint zu Beginn der Hörspielcharakter des Films. Immer wieder schaltet sich ein allwissender Erzähler in die Handlung ein, der zeitliche Sprünge überbrückt und einem die Gedankengänge der Protagonisten näher bringt. Doch schnell entpuppt sich die erklärende Stimme aus dem Off als amüsantes Stilmittel. Zudem werden in „Vicky Cristina Barcelona“ die konträren Kunst- und Moralvorstellungen der neuen und der alten Welt gegenübergestellt. Außerdem spielt der Film genüsslich mit Klischees wie etwa der angeblichen Leichtigkeit des Künstlerdaseins.

Allens derzeitige Muse Scarlett Johansson (Die Insel, Das Mädchen mit dem Perlenohrring, Lost In Translation) gibt die leidenschaftliche Cristina zwar gekonnt, steht hier aber dennoch etwas im Schatten ihrer Darstellerkollegen. Javier Bardem (Das Meer in mir, Die Liebe in den Zeiten der Cholera) stellt hier nach der Verkörperung des furchteinflößenden Killers in No Country For Old Men seine Wandlungsfähigkeit erneut unter Beweis. Er versteht es, dem zunächst machohaft erscheinenden Künstler nach und nach viele charmante Facetten zu verleihen. In erster Linie sind es dann aber Rebecca Hall (Prestige, Frost/Nixon) und vor allem Penélope Cruz (Alles über meine Mutter, Sahara, Bandidas), die dem rundum betörenden Cast die Krone aufsetzen. Hall spielt Vicky, die ihr Leben nur scheinbar im Griff hat und mit der Zeit bemerkt, dass sie ihr Dasein mit ihrem Verlobten in New York auf Dauer wohl doch nicht ausfüllen wird, woraufhin sie in tiefen Selbstzweifeln versinkt. Dabei geht Hall so sehr in ihrer Rolle auf, dass sie den Wandel ihrer Figur für den Zuschauer jederzeit greifbar macht. Penélope Cruz, die Allen in Volver so begeisterte, dass er sie sogleich in seinem nächsten Werk besetzte, ist die perfekte Wahl. Ihre Maria Elena ist durch Carlos’ Erzählungen zwar den ganzen Film hindurch präsent, betritt aber erst im letzen Drittel auch physisch die Bühne. Mit der Ankunft der feurigen Maria Elena nimmt der Film zusätzliche Fahrt auf, die ihm merklich gut tut. Cruz geht in ihrer Rolle als umtriebige, sich ihren Stimmungsschwankungen schamlos hingebende Maria Elena zur Gänze auf und sorgt so für die spaßigsten Szenen und witzigsten Sprüche des Films.

Barcelona und Oviedo sind wichtige Bestandteile des Films. Die Schönheit der Orte wird von südländischen Klängen (allen voran dem entspannten Song „Barcelona“ von Giulia y Los Tellarinis) untermalt und von der Kamera hervorragend eingefangen. Bisweilen kommt einem Allens neues Werk mit seiner Hervorhebung der romantischen Natur, der extravaganten Bauten Antoni Gaudís, der kleinen Galerien und urigen Restaurants gar wie ein Werbefilm für Katalonien und das Fürstentum Asturien vor.

Fazit: „Vicky Cristina Barcelona“ ist eine Hommage an die Schönheit Kataloniens und eine frische Sommerbrise im Oeuvre des Stadtneurotikers, der sich für sein nächstes Projekt wieder vom alten Kontinent verabschieden und in sein geliebtes New York zurückkehren wird. Doch vor seiner Abfahrt in die neue Welt kredenzt der Regisseur zu zarten Gitarrenklängen einen leichtbekömmlichen, heiteren Film mit spritzigen Dialogen, einem hervorragend aufgelegten Cast und einer großartigen Performance von Penélope Cruz, der einen die Leichtigkeit des Seins unter der Sonne Spaniens im dunkeln Kinosaal genießen lässt.
Ulf Lepelmeier

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