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Die andere Heimat

Land: Deutschland/Frankreich | Jahr: 2013 | ca. 213 Minuten | FSK: ab 6 Jahre

Regie: Edgar Reitz, Drehbuch: Edgar Reitz, Gert Heidenreich, Kamera: Gernot Roll, Darsteller: Jan Dieter Schneider, Antonia Bill, Maximilian Scheidt, Marita Breuer, Werner Herzog, Rüdiger Kriese u.a.

In faszinierenden Bildern erzählt Edgar Reitz die Geschichte von Jakob, der von einer besseren Welt träumt: im fernen Brasilien. Ganze vier Stunden dauert das Epos, das jetzt  schon als Meisterwerk gesehen wird. In schwarz-weiss, mit  kunstvollen Farbeffekten.
"Mit offenen Augen träumen, eine andere Wahrheit suchen, der Sonne folgen,  wenn sie hier untergeht, das ist das Glück!"

"...Das passiert selten – ein Film, nachdem man gar nicht so recht weiß, wo man anfangen soll zu erzählen, ein Film, der den Betrachter aus den Angeln reißt. Ein Film, dessen kris­tall­klare Bilder bis in nächt­liche Träume verfolgen, wohl auch, weil sein histo­ri­sches Licht dem von Stanley Kubricks "Barry Lyndon" in nichts nachsteht, dessen historische Akribie ebenfalls an Kubrick erinnert. Ein Film, der berührt, obwohl er fast semi-dokumentarisch mehr als 150 Jahre alte Geschichte erzählt, dabei aber dennoch so nah am gegenwärtigen Zeitgeschehen ist, dass einem Angst und Bange wird und der dann auch als filmisches Konzept, nun ja, fast über­ak­tuell ist. Wie also anfangen? Etwa so wie Edgar Reitz selber, der mit "Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht" ebenfalls am Anfang beginnt, nachdem das Ende schon längst erzählt ist? Denn wir erinnern uns: Heimat ist seit 1984 Jahre Edgar Reiz' Opus-magnum-Projekt, das auf fiktiver Ebene die große deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit Hilfe der Geschichte des kleinen Dorfes Schabbach im Hunsrück erzählt....

.. Reitz und Heidenreich (Drehbuch) bleiben in Schabbach und sie bleiben im Kern ihrer Erzählung auch bei der »Trilogie-Familie« Simon, deren einziges Bindeglied zur Ersten Heimat vor allem schauspielerischer Art ist. Die »Mutter« Margarethe, von einer großartigen Marita Breuer verkörpert, ist auch im ersten Heimat-Film die »Mutter« der Familie Simon. Doch die Verhältnisse der Familie in Vormärz-Zeiten erinnern weniger an gemeinhin angelesene und erinnerte Geschichte als an das, was man heut­zu­tage aus Regionen in Zentral­asiens, Südamerika und Afrika kennt: Ein despotisches Staatenwesen verhindert breiten Teilen der Bevölkerung die Teilnahme an erfolgreichen, gewinnbringenden wirtschaftlichen Prozessen. Die Armut ist groß, die Sehnsucht nach Veränderung ebenfalls, so dass es zu einer bis in die jüngste Gegenwart bekannten Dynamik kommt – die Leute wollen weg, Deutschland wird Auswanderungsland, Brasilien ist das Land der Träume. Auch Schabbach ist davon betroffen.

Wie bislang in der gesamten Heimat-Trilogie gelingt Reitz auch in "Die andere Heimat" eindrücklich, große Weltgeschichte fassbar und fühlbar zu machen, indem er sich den Lebenslinien der kleinen Leute zuwendet. Der fast kristalline Schwarz­weiß­film in Cinemascope, dem sich Reitz und sein Kameramann Gernot Roll für ihre Darstellung bedienen, ist auch diesmal mit impressionistischen Farbmomenten versehen und deutet damit auch an, dass Geschichte durch unsere mediale Fotosozialisation zwar in unseren Köpfen monochrom ist, aber im Grunde natürlich voller Farben war, Geschichte somit nicht nur farblich neu geschrieben, sondern grundsätzlich immer auch konstruiert ist...

Noch Wochen nach dem Film verfolgen, nein: begleiten einen die Bilder dieses großartigen Films. Bilder von wildem Aufbegehren, vorsichtiger, spontaner Politisierung, idyllischen Weinernten, bitterem Alltag und zarter Alltagspoesie, irrsten Hoffnungen und einem glücklichmachenden Verstehen für das, was Geschichte und Zukunft sind, was Deutsch­land war und was Deutschland ist und irgendwann wieder sein wird. Bilder einer faszi­nie­renden Verzah­nung von Vergan­gen­heit und Gegenwart. In einem histo­ri­schen Augen­auf­schlag wird Brasilien zu Lampedusa, wird Deutschland zu Eritrea und Vergangenheit zu nicht mehr und nicht weniger als einer immer wiederkehrenden Gegenwart." (Axel Timo Purr auf artechock.de)

»Nach »Heimat 3«, der Geschichte der neunziger Jahre in Schabbach, schien es, als könnte nichts mehr den Glanz der ersten »Heimat« zurückbringen, ihre Schlichtheit, ihre Tiefe, ihre visuelle Kraft. Mit der »Anderen Heimat« hat Reitz das alles wiedergefunden. Und er hat dafür weder elf noch fünfundzwanzig Stunden gebraucht. In einer Zeit, in der alle vom Siegeszug der Fernsehserie reden, hat Edgar Reitz einen epischen Kinofilm gedreht, den schönsten, den es seit langem aus Deutschland gab.« (Andreas Kilb)

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