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Neubau

Regie: Johannes Maria Schmit / Deutschland 2020 / Farbe / 82 Min. / Uraufführung / Cast: Tucké Royale, Monika Zimmering, Jalda Rebling, Minh Duc Pham / freigegeben ab 16

 ab  Jahre
 ca. 82 Min.
 

"Neubau"

Sommer in der Brandenburger Provinz. Markus ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinen pflegebedürftigen Omas und der Sehnsucht nach einem anderen Leben in Berlin. In Tagträumen erscheint ihm immer häufiger eine Schar schillernder Dämonen als Vorboten einer queeren urbanen Wahlfamilie. Als er sich in Duc verliebt, wird alles noch komplizierter. Denn eigentlich stehen in Markus‘ Neubauwohnung schon die gepackten Kisten für den Umzug in die große Stadt.

Markus (Tucké Royale) lebt in der Brandenburger Provinz. Seine Mutter ist früh verstorben, der Vater ging schon vor seiner Geburt in den Westen. Als Familie bleiben ihm seine geliebte Großmutter Alma (Jalda Rebling) und deren Partnerin Sabine (Monika Zimmering). Die beiden wohnen ein paar Dörfer weiter und sind auf ihn angewiesen: Alma, weil sie dement ist, und Sabine, weil sie eine Schulter zum Anlehnen braucht. Doch eigentlich sind die Kisten in Markus‘ Neubauwohnung schon gepackt für den erhofften Umzug nach Berlin. Auf den Feldern, beim Joggen und Autofahren befällt Markus immer wieder die Sehnsucht nach einem Leben fernab der Provinz, wo sein Job „mini“ ist und er sich die Zeit mit einem gelegentlichen Grindr-Date vertreibt. In Tagträumen erscheint ihm eine Schar schillernder Dämonen als Vorboten einer urbanen Wahlfamilie, die ihn aus seiner Einsamkeit befreit.
Als sich Almas gesundheitlicher Zustand verschlechtert und er sich in den jungen Fernsehtechniker Duc (Minh Duc Pham) verliebt, muss sich Markus entscheiden, wo er in Zukunft leben möchte.

mehr: Regiekommentar, Regisseur/in 

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Der MAX OPHÜLS PREIS: BESTER SPIELFILM 2020 geht an den Film NEUBAU von Johannes Maria Schmit.

Begründung:

Es gibt Filme, die sind leise, aber sie wirken lange nach. Die weiten den Blick, einfach, indem sie einladen, genau hinzuschauen. Sie kommen ohne Budenzauber aus, weil sie den Gegenstand ihrer Betrachtung ernst nehmen, ihm Würde verleihen. Solche Filme haben die Kraft, Empathie zu erzeugen.

Wir lernen eine Figur kennen, in der sich verschiedene Welten überlagern – hinreißend verkörpert von Tucké Royale, der das magnetische Zentrum des Films ist. Wir glauben ihm alles – den gierigen gay sex, die brandenburger Dorfkindheit, die Sehnsucht nach der queeren Wahlfamilie in Berlin. Und wir könnten ihm stundenlang zuschauen.

Die Zärtlichkeit liegt im Detail – der Kleinwagen mit dem Stonewall-Schriftzug, die Nietenjacke mit dem Aufdruck „Mutant Hero", der Gleitgelfleck auf dem Bettlaken.

Die durchweg wunderbar besetzten und inszenierten Nebenfiguren dürfen atmen – in Szenen, die das Geschehen auf der Leinwand nicht für eine Dramaturgie funktionalisieren, sondern Bedeutungsüberschuss zulassen. Existenzielles, Banales und Pragmatisches versammelt sich beim Holunderblütenzupfen. Das ist sie, die neue Selbstverständlichkeit. Mehr davon!

Jurymitglieder: Susanne Heinrich, Heike Parplies, Franziska Weisz, Jonas Weydemann

 

Der MAX OPHÜLS PREIS: PREIS FÜR DEN GESELLSCHAFTLICH RELEVANTEN FILM 2020 geht an Tucké Royale für Buch und Schauspiel im Film NEUBAU.

Begründung:

Ein Transmann in der Uckermark träumt von einer Wahlfamilie in Berlin, während seine demente Großmutter langsam stirbt. Das, was man als hermetischen Film über ein Nischenthema hätte inszenieren können, wird ein barrierefreies Fenster in eine ambivalente Welt voll hybrider Identitäten und brüchiger Lebensrealitäten.

„Wenn ich sterbe ... sagst du's mir?" fragt die Großmutter, die regelmäßig im Wald wieder eingesammelt werden muss, ihre Lebensgefährtin. Ein Auto-Konvoi von queeren Zauberwesen zieht wie eine Fata Morgana über die Landstraßen. Ein Mann masturbiert im Sonnenuntergang an einen Heuballen gelehnt. Das Kunststück: Es ist kein Kitsch. Kein Themenfilm nämlich, sondern einer, der sagt: So ist das Leben. Sehnsucht, Einsamkeit, Warten.

Wir wünschen diesem berührenden Film und seinen wichtigen Sujets eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, die er mit Leichtigkeit und Tiefe tragen kann.

Jurymitglieder: Susanne Heinrich, Heike Parplies, Franziska Weisz, Jonas Weydemann

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