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Mary Pickford - eine kleine Werkschau

Land: Deutschland | Jahr: 2017 | ca. 90 Minuten | FSK: ab 12 Jahre

Mary Pickford - die Königin des Kinos!
 - Eine kleine Werkschau in der Kinowerkstatt St. Ingbert.


Den Zuschauer der Kinowerkstatt erwarten an zwei Abenden, Freitag, den 20. November, und Samstag, den 21. November, jeweils ab 19 Uhr in einer kleinen Werkschau Filme von und mit Mary Pickford, vorgestellt von Stefan Ripplinger.

Es sind kurze mitreißende Filme voller Improvisation und Spielfreude, die sich auch 105 Jahre später auf den Zuschauer überträgt und Sensationelles auf die Leinwand bringt: In "Stella Maris" tritt Pickford in der ersten ihrer beiden spektakulären Doppelrollen auf, in Little Lord Fauntleroy (Der Kleine Lord), wird sie zugleich Mutter und Sohn sein und sich selbst küssen, in "The Poor Little Rich Girl" spielt die damals 25-Jährige ein 11-jähriges Mädchen, ohne dass dies auffällt. 

Vor hundert Jahren kannte jedes Kind Mary Pickford. Wo immer es Kinos gab, schauten sich die Menschen ihre Filme an. Wo immer sich die junge Frau zeigte, jubelten ihr die Menschen zu und brach der öffentliche Verkehr zusammen, ob in New York, Paris, Oslo – sogar in Moskau! Sie war die Königin des Kinos!

Mary Pickfords Gesicht erschien auf den Titelseiten, im April 1915 etwa auf dem von "The Ladies‘ World", deren Schlagzeile „Mary Pickford – The Most Popular Girl in the World - das berühmteste Mädchen der Welt“ marktschreierisch, aber keine Übertreibung war. Frauen kopierten massenhaft den Look der Schauspielerin und Produzentin, die zur vielfachen Millionärin aufstieg.
Doch bereits einige Jahre, bevor 1927 der Tonfilm aufkam, sank ihr Stern wieder. Ihr proletarisches Publikum – kleine Leute, Arbeitslose, Einwandererfamilien – war nicht mehr das einzige, das ins Kino ging. Die Kleinbürger und Bürger, die sich nun ebenfalls vom neuen Medium angezogen fühlten, verlangten andere Stoffe, einen anderen Stil, weniger Realismus und mehr Illusion. Pickford versuchte, sich anzupassen, aber es wirkte nicht glaubwürdig. 1933 kam der letzte abendfüllende Film heraus, in dem sie mitspielt, Secrets, ihr 52., sie war noch nicht ganz 41 Jahre alt.

Das Schicksal, nicht mehr gewünscht zu sein, teilte Pickford mit vielen anderen Größen des Stummfilms. Doch ergab sich seither eine höchst sonderbare Zweiteilung: Während die Filme der Männer, ob von Chaplin, Buster Keaton, Friedrich Wilhelm Murnau oder Abel Gance, im kulturellen Gedächtnis blieben – völlig zu Recht –, wurden die Namen der Frauen ausradiert, aller Frauen jedenfalls, die mehr waren als bloß hübsch. Und auch Pickford war mehr als bloß hübsch, sie besaß, wie es sich heutige Feministinnen nicht besser wünschen könnten, über fast alle ihre Filme die volle künstlerische und wirtschaftliche Kontrolle.

Und das galt nicht nur für sie. Es ist in Vergessenheit geraten, dass Frauen im frühen Film weit mehr geleistet haben, als ihr Gesicht in die Kamera zu halten. Vergessen wurden Regisseurinnen wie Alice Guy-Blaché, die seit 1897 gedreht und schon früh mit Ton experimentiert hat, Lois Weber, die eine Reihe äußerst ungewöhnlicher Filme herstellte, vergessen wurden Drehbuchautorinnen wie Anita Loos und Frances Marion, die zu ihrer Zeit zu den am besten bezahlten Mitarbeitern Hollywoods gehörten, ja es sogar in den Tonfilm geschafft haben. Obwohl sie erfolgreich waren, drängte man sie beiseite.
 

   


"Die Größte von allen diesen Frauen aber war Mary Pickford. Sie verschwand aus den Kinos, sogar aus den Programm- und Spezialkinos. In den Geschichten des Films kommt sie, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Filmkennern und Filmhistorikern ist sie oftmals kein Begriff oder man ist sich zu fein, über sie zu schreiben. Männer pflegen das Vorurteil, es handelte sich bei diesen Filmen um seichte Melodramen. Und abgesehen von einer umjubelten Werkschau 1965 in der Cinémathèque Française, war die Pickford nach 1933 nur höchst selten auf der Leinwand zu sehen. Dabei besitzen ihre Filme mehr Charme, Witz und Wirklichkeitssinn als die populären Filme unserer Tage. Das soll unsere kleine Reihe vor Augen führen." (Ripplinger)

"Pickford war, noch vor Charlie Chaplin, der erste Star des technischen Zeitalters." Zusammen mit Chaplin, Fairbanks und Griffith gründete sie die Filmfirma Universal Artists.


Stefan Ripplinger, der renommierteste Kenner der Filme Pickfords, Buchautor von "Mary Pickfords Locken", Wahlberliner mit St. Ingberter Wurzeln, hat die kleine Werkschau zusammengestellt: Mary-Pickford-Fans aus dem Raum Saarlorlux, die die Retrospektiven 1965 in Paris und 2015 in San Francisco verpasst haben, können sich jetzt in der Kinowerkstatt St. Ingbert einige ihrer schönsten Werke anschauen. Stefan Ripplinger führt dabei jeweils kurz in die Filme ein."

Gezeigt werden:

Freitag, 20. Nov. 19 Uhr:
D.W. Griffith: Wilful Peggy (OV, 1910, 13 Min.)

„Der Lord aus dem Herrenhaus trifft auf das ungezwungene Irenmädchen.“ Die Familie von Pickfords Mutter stammte aus Irland. In vielen Filmen präsentiert sie das irische Einwanderermilieu als rauh, unverblümt, hilfsbereit, humorvoll, trinkfest, rauflustig. Stets führen dicke Mütter das Regiment. Doch in Wilful Peggy kann die Mutter ihre ungebärdige Tochter kaum im Zaum halten, und umso weniger wird das dem Lord gelingen, der von Henry B. Walthall gegeben wird, einem der wichtigsten Schauspieler von Griffith. Peggy, ein Wirbelwind, reißt in Männerkleidern aus, flirtet mit einer Kellnerin und droht, eine Kaschemme zu zertrümmern. Wer diesen mitreißenden Film sieht, erkennt, wie groß der Anteil von Improvisation und Spielfreude am frühen Film und wie viel körperlicher er ist. Das überträgt sich auch 105 Jahre später noch.

Freitag, 20. Nov. 20 Uhr:
Marshall Neilan: Stella Maris (OV, 1918, 84 Min.)

In Stella Maris tritt Pickford in der ersten ihrer beiden spektakulären Doppelrollen auf. Drei Jahre später, in Little Lord Fauntleroy (Der Kleine Lord), wird sie zugleich Mutter und Sohn sein und sich selbst küssen. Hier ist sie das in sich gekrümmte, gezeichnete Waisenmädchen Unity Blake und die von aller Unbill ferngehaltene, in einer verkitschten Traumwelt gehaltene Schönheit Stella Maris. Als die beiden sich zufällig begegnen, muss die reiche Schönheit erkennen, wie grausam die soziale Realität ist. Und das arme Waisenmädchen erhält Einblicke in die unerreichbare Welt der Reichen und Kalten. Darin, wie sie diese Begegnung gestaltet, zeigt Pickford ihre ganze schauspielerische Größe.

Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, etwa mit der französischen Schauspielerin Camille Ankewich, die sich in Hollywood Marcia Manon genannt hat. Sie spielt, fast diabolisch, eine verlassene und verbitterte Frau, die in Trunk- und Drogensucht versinkt. Mit Marshall Neilan als Regisseur und Frances Marion als Texterin hat Pickford auf ein bewährtes Team gesetzt. Bestechend ist die Kameraarbeit von Walter Stradling, der kurz nach Abschluss der Produktion an der bei Kriegsende grassierenden Grippe-Epidemie starb.

Freitag, 20. Nov. 22 Uhr:
Maurice Tourneur: The Poor Little Rich Girl (OV, 1917, 65 Min.)

Nur wenige Monate nach dem wilden, leidenschaftlichen The Pride of the Clan – Mary Pickford als weiblicher Häuptling über knorrige schottische Inselbewohner – kam die zweite Zusammenarbeit Mary Pickfords mit Maurice Tourneur heraus. In The Poor Little Rich Girl spielt die damals 25-Jährige ein 11-jähriges Mädchen, dem es an nichts fehlt außer an Liebe. Eingesperrt in der Villa ihrer reichen Eltern, wird Gwendolyn von Gouvernanten und Hausangestellten drangsaliert. Dabei wünscht sie sich nichts mehr, als mit anderen Kindern zu spielen und zu raufen, mit Schlamm um sich zu schmeißen und barfuß über die Wiesen zu tollen.

Außergewöhnlich an dem Film ist das Szenenbild von Ben Carré, leicht überdimensioniert, um den Blick des Kindes zu verdeutlichen. Außergewöhnlich sind aber vor allem die Träume. In keinem andern seiner Filme hat Tourneur wie hier eine zweite, abseitige, jenseitige, bizarre Welt entworfen. Sie erinnert in manchem an L. Frank Baums Kinderbücher vom Wizard of Oz (die spätere Verfilmung mit Judy Garland hat sich bei Tourneur erkennbar einiges abgeschaut) und besitzt etwas köstlich Absurdes und Surreales. Gwendolyn nimmt wie alle Kinder Sprüche wörtlich. So werden aus den Börsen-Bären ebenso richtige Tiere wie aus der Gouvernante eine Schlange und aus dem Butler ein alberner Esel. Wie das mit Doppelbelichtungen, Tricks und Theater inszeniert und mit der Haupthandlung verwoben ist, lässt sich nur meisterhaft nennen.

Samstag, 21. Nov. 19  Uhr:
John Francis Dillon: Suds (OV, 1920, 75 Min.)

Suds
heißt „Waschlauge“. Der Film führt in eine Londoner Handwäscherei, in einen von Mäusen und von Ungeziefer befallenen Keller. Wenn sich der Dunst lichtet, sehen wir hart schuftende Frauen an Bottichen, Waschbrettern und Wringen. Wir sehen, wie die Arbeit in die Knochen geht und an der Haut frisst. Und wir sehen Amanda Afflick (Pickford), den Trampel des Betriebs, ausgeschimpft und ausgenützt von der Chefin, veralbert von den Kolleginnen und belächelt von den Passanten.

In this 1920 romantic comedy, Mary Pickford plays a poor laundry woman working in London. She is too weak to do the hard work, but is always picked on and humiliated by her boss Madame Didier.  She is desperately in love with the handsome customer Horace Greensmith, but none of her colleagues think she stands a chance of being his sweetheart.

Amanda verbindet in sich Züge der gebeugten Unity Blake aus Stella Maris und der phantasievollen Gwendolyn aus Poor Little Rich Girl. Denn die Gebeugte phantasiert sich aus ihrem Elend und steigert sich in den Tagtraum, sie wäre kein ungeliebtes, ausgebeutetes Waschweib, sondern eine enterbte Herzogin. Ihr vorläufig einziger Freund auf unserer schnöden Welt ist das Pferd Lavender, das lange die Wäschekarre gezogen hat, aber nun alt und schwach ist und zu Leim verarbeitet werden soll. Amanda rettet Lavender und am Ende auch sich selbst. Verspielt verbindet der Film krassen Sozialrealismus mit übermütiger Komödie.

Colorierte Fassung "Suds"

Samstag, 21. Nov. 20:30  Uhr:
William Beaudine: Sparrows (OV, 1926, 84 Min.)

Sparrows, „Spatzen“, ist einer der stärksten und einer der ungewöhnlichsten Filme von und mit Mary Pickford. Grund für das eine wie das andere, das Starke wie das Ungewöhnliche, ist der deutsche Einfluss, der gothic style. Wir befinden uns auf der Farm von Mr. Grimes, eindringlich böse dargestellt von dem bayerischen Freiherrn Gustav von Seyffertitz. Inmitten von mörderischem Morast hält Grimes Vieh und Waisenkinder. Die Kinder lässt er hungern, ja verhungern und verkauft auch einmal eines, zum Preis eines halben Schweins. Weil ihm das noch nicht genug ist, beteiligt er sich an einer Entführung und damit nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Höhepunkt ist eine spannende Flucht durch eine glitzernde Nacht voller wilder Tiere und Gefahren.

Mary Pickford spielt „Mama Molly“, eine Arme im Geiste; ihrer ist das Himmelreich. Sie kümmert sich nach Kräften um die Kleinen und bringt ihnen auf ihre sehr eigene Weise die Bibel bei. In einer spektakulären Szene erscheint ihr dann auch Jesus. Für diesen düster-glänzenden Film wurden die besten Kameraleute der Zeit engagiert. Neben Charles Rosher, dem Hausfotografen von Pickford, führt unter anderem Karl Struss die Kamera. Die beiden gewannen ein Jahr später den Kamera-Oscar für Murnaus Sunrise.
 

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Die Kinowerkstatt St. Ingbert ist eine nichtkommerzielle Spielstelle, die sehenswerte aktuelle sowie kulturell und filmgeschichtlich wichtige Filme zeigt.

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